Bundestreffen des „Deutschen Radfahrer Bundes“ in Dortmund im August 1898:
Als der „Deutsche Radfahrer Bund“ (DRB) im August 1898 sein XV. Bundestreffen in Dortmund abhielt, tobte ein heftiger interner Streit zwischen Amateuren und Berufsfahrern. Der Verband mit rund 20.
000 Mitgliedern vertrat nur Amateurfahrer und lehnte den Profisport rigoros ab. Für ihn zählte allein der Amateurgedanke, das Berufsfahrertum war von Übel. Bereits wer gegen Bezahlung Schrittmacherdienste leistete, einen gewonnenen Ehrenpreis veräußerte, Reisespesen, Reifen oder anderes Material empfangen hatte, wurde zum Berufsfahrer deklariert. Gleichwohl: Rennen waren populär und wurden sowohl auf der Straße als auch auf Radrennbahnen, von denen es damals in Deutschland rund 100 gab, ausgetragen. Schon bald forderten die Fahrer, an den Einnahmen der Veranstalter beteiligt zu werden. Als 1895 der erste Sprinttitelkampf in Leipzig ohne Zustimmung des DRB veranstaltet wurde, spitzten sich innerhalb des Verbandes die Auseinandersetzungen zu. Es kam zur Abspaltung einiger, die den „Verband der Vereine für Radwettfahrten“ gründeten, von dem Berufsfahrer und Amateure eine Starterlaubnis erhielten; Amateure durften aber keine Geldpreise annehmen. Der DRB verbot seinen Mitgliedern gleichwohl die Teilnahme - mit dem Ergebnis, dass es zu Massenaustritten in Verbände kam, die etwas berufsfahrerfreundlicher waren: etwa die Deutsche Radfahrer-Union (DRU) oder der 1896 gegründete Deutsche Rennfahrer-Verband (DRV). Schwere Zeiten also für den DBR, als er zu seinem Jahrestreffen 1898 zusammenkam. Der DRB stieg dann aus dem Radrennbahnsport völlig aus.
Als Tagungsort hatte man sich Dortmund auserkoren, eine boomende Industriestadt, die sich anschickte, zur größten Kanalhafenstadt Europas zu werden, was in den Motiven der Dreibild-Ansichtskarte gut zum Ausdruck kommt. Von hier gingen die Impulse zum Bau des Dortmund-Ems-Kanals aus: Allen voran die Bergbauunternehmen (Bild links unten), die den Kanal zum kostengünstigen Export ihrer Kohle benötigten und von der Hüttenindustrie (Bild links oben), die so Erze aus Übersee und Schweden billiger als mit der Eisenbahn importieren konnten. Die auf der „offiziellen Festkarte“ abgebildete Dortmunder „Union“ grenzte mit ihrem Firmengelände direkt an den Kanalhafen. Im August 1898 war der Hafen allerdings noch nicht geflutet und so entspringt es der Phantasie des Lithographen, auf dem Wasser Seitenraddampfer schwimmen zu lassen. Sie befuhren damals zwar mit Schleppkähnen im Anhang den Rhein - aber niemals der Dortmund-Ems-Kanal.
Ein Jahr später, am 11. August 1899, wurde der Kanal dann mit einer pompösen Einweihungsfeier durch Kaiser Wilhelm II. offiziell dem Verkehr übergeben. Die Ansichtskarte wurde aus diesem Anlass mit neuem Text übrigens noch Mal verwendet.
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Zeppelintag im Ruhrgebiet am 20. September 1909:
Zeppeline erfreuten sich Anfang des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit und waren die Stars auf Postkarten. Die Menschen berauschten sich damals regelrecht an den Erfolgen der Luftfahrt und strömten
zu Hunderttausenden zusammen, wenn eins dieser in Friedrichshafen am Bodensee zusammenmontierten Luftschiffe des Ferdinand Graf von Zeppelin ihre Stadt überflog oder gar dort landete. Solche Sensationsereignisse wurden nur allzu gerne von den Ansichtskartenverlagen aufgegriffen, die auf regen Absatz und gute Geschäfte hoffen durften.
Den Zeppelin III „in voller Fahrt“ über dem Dortmunder Stadthafen präsentiert diese Ansichtskarte, die es mit der Wahrheit allerdings nicht so genau nimmt. Es ist anzunehmen, dass die in Dortmund ansässige „Kramers Kunstanstalt“ die Karte in Erwartung eines Überfluges von Zeppelin III, der für den 20. September 1909 geplant war - möglicherweise sogar schon Tage zuvor - auf den Markt gebracht hatte. Mit dem bloßen Auge ist sofort zu erkennen, dass es sich hier um eine, auch noch schlecht gemachte, Fotomontage handelt. Die Darstellung ist darüber hinaus doppelt falsch, denn dieser Flug über Dortmund fand gar nicht statt. Er wurde kurzfristig abgesagt.
Es sollte die 13. Fahrt des am 25. August 1909 in Betrieb genommenen Luftschiffes L.Z.6 werden. L.Z.6 war das erste „Luftschiff Zeppelin“, das für die kommerzielle Beförderung von Fahrgästen gebaut worden war und auf dem auch erste Versuche mit Funk stattfanden. Die damals gängige Bezeichnung „Zeppelin III“ rührt daher, dass das Heer beabsichtigte, das Luftschiff als sein drittes mit der laufenden Nummer III später zu übernehmen.
Geplant war, Zeppelin III am 19. September von der Internationalen Luftschiffahrtausstellung (ILA) in Frankfurt/Main über Düsseldorf in das rheinisch-westfälische Industriegebiet zu führen. Eine vorgesehene Zwischenlandung in Essen wurde gestrichen, denn man war in Zeitnot geraten. Kaiser Wilhelm II. hatte zuvor die Z III, mit deren Ankunft in Frankfurt am 11. September die „Zeppelin-Woche“ eröffnet worden war, zu sich ins Manöver nach Nord-Baden beordert, wo es zu einer Havarie mit einem Eichenbaum und zu leichten Beschädigungen gekommen war. Auf die Nachricht hin, dass die Z III die Kruppstadt Essen nur überfliegen sollte, wurde eine Delegation, der unter anderem der Essener Oberbürgermeister Wilhelm Holle und der Industrielle Hugo Stinnes angehörten, am 18. September auf der ILA vorstellig. Sie erreichten beim Direktor der Zeppelin-Gesellschaft, Alfred Colsmann, eine Änderung des Fahrplans. Nun sollte am Montag, den 20. September, von Düsseldorf über Duisburg und Oberhausen kommend in Essen doch zwischengelandet und anschließend in einer großen Schleife die Ruhrgebietsstädte Bochum, Witten, Hagen, Dortmund, Herne und Gelsenkirchen überflogen werden.
Für das Ruhrgebiet hieß der angekündigte Besuch „Zeppelintag“. Ein silberner „Zeppelin-Taler“ zur Erinnerung an die Fahrt wurde speziell aus diesem Anlass geschlagen und die lokalen Zeitungen überschlugen sich mit Depeschen und Sonderausgaben. Doch witterungsbedingt verzögerten sich bereits das Erscheinen des ungeduldig von Zehntausenden erwarteten Giganten mit 15.000 Kubikmeter Gasfüllung und die Landung in Essen. Am Landeplatz boten „Fliegende Händler“ diverse Souvenirs wie Zeppelinfähnchen, Miniaturballons oder Zeppelinbirnen an, darunter natürlich auch: Ansichtskarten. Als nach zweistündigem Aufenthalt die Z III um 17.30 Uhr wieder aufstieg, war jedoch an eine „große Schleife“ nicht mehr zu denken. Lediglich die Residenz der Industriellenfamilie Krupp, Villa Hügel, wurde noch überflogen - das war man wohl dem Krupp-Direktor Dr. Ehrensberger schuldig, der an Bord weilte.
Auch wenn in der mittleren für Fahrgäste hergerichtete Gondel der Vorsitzende des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund, Eduard Kleine, seines Zeichens zugleich Stadtrat und Präsident der Dortmunder Handelskammer, mitfuhr: Der Ärger in Dortmund war so groß, dass sich Graf Zeppelin höchstpersönlich an Oberbürgermeister Wilhelm Schmieding wandte, um ihm sein „lebhaftes Bedauern“ über das Ausbleiben des Luftschiffes auszudrücken. Und Direktor Colsmann musste Tage später gegenüber der auch vom Magistrat empfundenen „Kränkung der Stadt“ umfänglich erklären, warum unter den gegebenen Umständen ein Überfliegen der Stadt unverantwortlich gewesen wäre. Dortmund dürfte auch daran beteiligt gewesen sein, dass sich gleichwohl „Postsäcke voll Schmähschreiben“ aus dem ganzen Ruhrgebiet nach Friedrichshafen am Bodensee ergossen.
Unsere Ansichtskarte wurde am 8. Oktober nach Göttingen geschickt. Vielleicht hat sein Absender gar nicht gewusst, dass er eine „Fake“-Karte verwendet hatte. Eine Umbenennung in „Zeppelin III“ hat es im Übrigen auch nicht gegeben: Das L.Z.6 wurde am 14. September 1910 in seiner Halle Baden-Os fahrlässig zerstört. Es verbrannte.
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