Einzug des Großherzoglichen Paares in Weimar am 02. Juni 1903:
Nicht bei jeder Ankunft wurde der Regent des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, so der offizielle Titel, in der Residenzstadt Weimar so festlich empfangen. Was war also der Anlass für den aufwÃ
¤ndigen Empfang und wer wird da begrüßt?
Es sind der Großherzog Wilhelm Ernst und seine Gemahlin, die Prinzessin Caroline von Reuß; welche am 30. April 1903 den Bund der Ehe geschlossen haben, und nun, am 02. Juni 1903, erstmalig als neuvermähltes Paar in der Stadt Weimar empfangen werden.
Der Großherzog hatte am 07. Januar 1901, nach dem Tode seines Vorgängers Carl Alexander, die Regierungsgeschäfte übernommen. Weimar entwickelte sich zu dieser Zeit bereits vom Zentrum der Klassik zu einem der Zentren der künstlerischen Moderne, wobei der Großherzog Wilhelm Ernst als Förderer einen wesentlichen Beitrag leistete. Noch im Jahr 1903 berief er den belgischen Architekten Henry van de Velde nach Weimar, der hier seine Kunstgewerbeschule gründete. Im Jahr 1918 war es die Förderung des Architekten Walter Gropius, der in Weimar die Bauhaustradition ins Leben rief. Auf der Ansichtskarte ist der Festzug gerade zum Stehen gekommen.
Das Paar wurde am Bahnhof empfangen und hat, nachdem es die Carl-August-Allee und den Goetheplatz passierte, das Ende der Wielandstraße erreicht. Der Anfang des Zuges steht bereits auf dem Theaterplatz. Links im Bild ist das bekannte Doppeldenkmal mit Goethe und Schiller zu erkennen, welches damals noch an den verlängerten Straßenfluchten der Wielandstraße und der Schützengasse stand.
Im Jahre 1906 wurde das zweite Haus des Hoftheaters abgerissen, und mit dem ab 1907 errichteten Neubau, wie er noch heute besteht, erhielt auch der Theaterplatz seine derzeitige Gestalt. Der Festzug wird sich weiter bewegen über die Esplanade (heutige Schillerstraße) und den Markt bis hin zum Schloss. Da sechsspännig gefahren wurde und manche enge Biegung zu nehmen war, kam der Zug noch öfter zum Stillstand. Dies zur Freude der spalierstehenden Einwohner von Weimar, von denen ein Großteil auf den Beinen war. Bei der damaligen Zahl von 31.000 Einwohnern, war dies eine recht beachtliche Menschenmenge.
Was die Jubelnden und alle anderen Beteiligten nicht ahnen konnten war, dass die junge Ehefrau bereits am 17. Januar 1905 sterben wird und der Großherzog, als letzter Vertreter einer jahrhundertealten Herrschertradition, am 09. November 1918 abdanken muss. Der besondere Wert der Ansichtskarte liegt aber auch darin, dass der Fotograf und Verleger Louis Held (1851-1927) war, denn er zählt auch zu den Pionieren der Reportagefotografie. Das 1886 eingerichtete Fotoatelier in der Marienstraße existiert noch heute. Held war seit 1888 berechtigt, den Titel eines Hoffotografen zu führen. Neben den Angehörigen des weimarischen Hofes porträtierte er auch Künstler, wie den Komponisten Franz Liszt und die Schauspielerin Lil Dagover, sowie andere Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Selbst das Kaiserhaus in Berlin beauftragte ihn, Ereignisse am dortigen Hofe zu fotografieren. Mit den so entstandenen Fotos sowie deren Verkauf im Ansichtskartenformat, hatte sich Louis Held eine weitere ergiebige Einnahmequelle erschlossen. Beispielsweise waren die Aufnahmen eines Franz Liszt nach dessen Tode wie die eines heutigen Popstars begehrt. So konnte es sich Louis Held auch leisten, die aus geschäftlicher Sicht meist uneinträglichen Fotos von alltäglichen Ereignissen und aus dem Leben des "einfachen" Volkes anzufertigen, die heute in Kennerkreisen hohe Beachtung und Anerkennung als Zeitdokumente von hoher künstlerischer und fotografischer Qualität finden. Es ist überliefert, dass Held immer bestrebt war, die neuesten fototechnischen Errungenschaften zu erwerben, zu verwenden und selbst zu verbessern. Bleibt nur noch anzumerken, dass das Foto für die Ansichtskarte vom Einzug des Großherzoglichen Paares von einem Podest aus entstand, welches man eigens für den Herrn Hoffotografen errichtete. Ob der Festzug wegen dem Gelingen der fotografischen Aufnahme zum Stehen gebracht wurde, wird wohl nie mehr zu klären sein.
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