Der Wiesbadener Prinzenraub...
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Die nach persönlichen und politischen Konflikten getrennt lebenden Majestäten König Milan von Serbien und seine Frau Natalija schlossen am 6. April 1887 in Belgrad einen Vertrag, der festlegte, dass die Erziehung des Kronprinzen von 1887/1888 an in einer gemeinsam ausgewählten Stadt Deutschlands geschehen sollte, die außer günstigen klimatischen Bedingungen auch eine orthodoxe serbische oder russische Kirche besitzen soll. Dies traf auf Wiesbaden zu. Dort gab es auch eine entsprechende russisch-orthodoxe Kirche.
Der Vertrag enthielt weitgehende Zugeständnisse an Königin Nathalie in Bezug auf die Erziehung des Kronprinzen. Der Kronprinz sollte sich während der Dauer seiner Erziehung unter der Obhut seiner Mutter befinden, die ihn auch während der Ferien nach Serbien begleiten sollte. Die Anwesenheit der Königin und des Kronprinzen in Belgrad hielt König Milan zu diesem Zeitpunkt wegen möglicher politischer Unruhen nicht für opportun. Am 4. Juni 1888 teilte Königin Natalija ihrem Mann mit, sie habe in Wiesbaden die sehr schöne Villa Clementine gemietet und werde sich hier niederlassen. Kurz darauf teilte ihr König Milan mit, dass er die Ehescheidung bei der Kirche beantragt habe. Als Königin Nathalie dieses Ansinnen zurückwies, verlangte König Milan im Gegenzug in einer Depesche vom 14. Juni, Natalija solle ihn als "Gatten und Vater" anerkennen und dies dadurch beweisen, dass sie den Kronprinzen ohne ihre Begleitung nach Belgrad abreisen lasse. Die deutsche Regierung sei bereit, den Prinzen nach Serbien zurück zu senden. Wenn Nathalie nicht einwillige, werde er seinen Sohn mit Gewalt zurückführen und solle es ihr in den Sinn kommen, mit ihm nach Belgrad zu kommen, werde er ihn ihr mit Gewalt nehmen und die Ehescheidung ausführen. In einem neuen Vertragsentwurf sollte sich Königin Natalija verpflichten, bis zur Großjährigkeit des Kronprinzen niemals ohne Einladung des Königs nach Serbien zu kommen. Sie solle mit dem Kronprinzen bis zum 1. Januar 1893 in Wiesbaden ansässig bleiben und ihre Residenz nicht ohne schriftliche Zustimmung des Königs ändern. Diesen von Milan bereits unterzeichneten Vertrag wies Natalija jedoch zurück. Viel Bedenkzeit war ihr allerdings nicht geblieben, denn am 20. Juni sandte Milan die "definitive und unwiderrufliche Instruktion" an den serbischen Kriegsminister General Protić, einen Salonwagen für die Abreise des Kronprinzen zu bestellen. Protić sollte sich am nächsten Tag zu Lothar von Wurmb, Regierungspräsident von Wiesbaden, begeben, um ihn über die Abreise des Prinzen zu informieren und ihn um Beistand für den Fall zu bitten, dass die Königin Widerstand leiste. Milan gewährte ihr ein letztes Ultimatum, in den vorgelegten Vertrag bis sechs Uhr abends des nächsten Tages einzuwilligen, was Königin Natalija aber nach wie vor verweigerte. Am Vorabend des 13. Juli 1888 begab sich Polizeipräsident Paul von Rheinbaben in die seit Tagen schwer bewachte Villa Clementine, um der Königin mitzuteilen, dass am nächsten Morgen um zehn Uhr der Kronprinz "wenn nötig mit Gewalt ..." abgeholt werde. Sie selbst werde ausgewiesen und hatte zehn Stunden nach der Abreise des Prinzen Deutschland zu verlassen. Dies hatte König Milan durch eine Intervention bei Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Otto von Bismarck erreicht, während die Hilferufe der Königin an die regierenden Herrscherhäuser ohne Echo blieben. Kaiser Wilhelm II. bat in einem persönlichen Telegramm, sie möge ihren Widerstand aufgeben und den Kronprinzen gutwillig dem Bevollmächtigten seines Vaters übergeben.
Seit dem frühen Morgen des 13. Juli war die Villa Clementine durch eine Abteilung Schutzleute und von Geheimpolizisten abgeschirmt worden. Kurz vor zehn Uhr begaben sich Major Chiević und Oberstleutnant Bjalović, die von König Milan zu Adjutanten des Kronprinzen bestimmt waren, in die Villa, um sich bei der zwölf Jahre alten königlichen Hoheit zu melden. Kurz nach zehn Uhr fuhr der Polizeipräsident vor, gefolgt von einem Polizeiinspektor, zwei Kommissaren und zwölf Schutzleuten. Nach kurzer Verhandlung wurde der Prinz dem General Protić übergeben und dann im Wagen zum Taunusbahnhof gebracht. Dort stand ein an einen fahrplanmäßigen Zug angehängter Salonwagen bereit, mit dem der Kronprinz und seine Begleitung nach Belgrad fuhren. Der politische Hintergrund für das Vorgehen des serbischen Königs wurde erst später deutlich, als er im Februar 1889 überraschend abdankte und seinen minderjährigen Sohn zum König Alexander I. von Serbien proklamieren ließ. Alexander wurden drei Regenten zur Seite gestellt. Erst später wurde ein geheimes Abkommen zwischen Milan und den Regenten bekannt, das dem bis zu seinem Tod 1901 vorwiegend im österreichischen Pustertal lebenden früheren König auch nach seiner Abdankung hinter dem Rücken der Öffentlichkeit und seiner politischen Gegner einen entscheidenden Einfluss auf die serbische Politik sicherte.
Hundertjahrfeier des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88...
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1908 wird in einer dreitägigen Feier in zwei Städten des hundertjährigen Bestehens des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 gedacht. Die vorliegende Postkarte ist neben einer zu diesem Anlass erschienenen Erinnerungsmedaille zeittypischer Ausdruck von Stolz auf militärische Traditionen und Zugehörigkeiten.
Am 12. August beginnt die Feierlichkeit abends in Mainz mit der Vereinigung des aktiven Offizierskorps mit den alten Kameraden des Regiments im Militär-Kasino. Der nächste Tag und sein straffer Zeitplan beginnt morgens 8:30h mit einem Festgottesdienst, gefolgt von einer Parade auf dem Exerzierplatz bei „Fort Weisenau“. Nachmittags wird um 16h ein Festessen im Gesellschaftsanzug eingenommen. Abends wird in der Stadthalle von Mainz um 20h mittels „lebender Bilder“ die Regimentsgeschichte ab 1809 gezeigt und durch Texte von Hofrat Alfred Börckel ergänzt. Der letzte Tag der Feierlichkeiten, Freitag, der 14. August, wird in Wiesbaden begangen. Hier wird am „Waterloo- Denkmal“ ab 10:30h gefeiert, bevor es um 12:30h zum „Kurhaus“ geht, wo die Stadtvertretung die Gesellschaft begrüßt und schließlich ein gemeinsames Essen eingenommen wird! Ab 15h wird auf dem Volksfest „Unter den Eichen“ gefeiert, um schließlich um 21h im Waffenrock mit Achselstücken und Helm alle Festlichkeiten zu beenden!
Der Truppenteil, für den diese Feierlichkeiten ausgerichtet wurden, das 2. Nassauische Infanterie-Regiment Nr. 88, wurde 1808 als 2. Infanterie-Regiment der herzoglich nassauischen Armee aufgestellt. Es kämpfte zunächst während der Napoleonischen Kriege auf französischer Seite auf der iberischen Halbinsel. Erwähnenswert sind dabei die Erstürmung der Hochebene bei Mesas de Ibor oder die Teilnahme an der Schlacht von Medellin. 1813 kämpfte es im Deutschen Krieg auf Seiten der süddeutschen Armeen und Österreichs gegen Preußen. Als Folge dieses Krieges wurde Nassau preußische Provinz und das Regiment in die preußische Armee integriert!
Das Ende des kampferprobten Infanterie-Truppenteils folgte nach Einsätzen im Deutsch-Französischen-, sowie im Ersten Weltkrieg 1919 in Bad Orb, wo es erst demobilisiert und schließlich am 30. April aufgelöst wurde! Die Tradition des über die längste Zeit seines Bestehens in Mainz stationierten Regiments wurde in der Reichswehr durch die 15. Kompanie des 15. Infanterie-Regiments in Kassel übernommen!
Die „Adolfshöhe“ - Die bewegte Geschichte eines berühmten Wiesbadener Ausflugslokals...
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Zu einer Zeit, zu der Wiesbaden noch keine „Weltkurstadt“ und sein heutiger Vorort Biebrich noch Residenz der Herzöge von Nassau war, entstand 1856 auf der Anhöhe zwischen Wiesbaden und Biebrich, das Ausflugslokal „Adolphshöhe“, benannt nach dem damaligen nassauischen Herzog Adolph. Nur eine noch völlig unbebaute Chaussee verband beide Städte, so dass eine Rastmöglichkeit auf halber Strecke zwischen beiden Orten, dazu mit einem herrlichen Rundblick auf Rheingau und Taunus, sehr vielversprechend schien.
In der Tat entwickelte das Ausflugslokal prächtig und das Gebäude musste schon kurze Zeit später erweitert werden. Von beiden Orten auf die Anhöhe zu setzte Villenbebauung ein, ab 1889 schnaufte eine Dampfstraßenbahn, ab 1900 eine elektrische Straßenbahn die Chaussee entlang und hielt direkt vor der Adolfshöhe.
Dies war die Blütezeit des Lokals unter dem tüchtigen Wirt Johann „Jean“ Pauly: Mit einer großen Gartenwirtschaft, einem weitläufigen Parkgelände, einem Musikpavillon und einem über 30m hohen Aussichtsturm war vielseitige Abwechslung geboten. Als Pauly 1905 noch einen riesigen, 600qm großen Tanzsaal mit 400 Sitzplätzen und Musikempore baute, ging der Betrieb erst richtig los. Die Adolfshöhe wurde zu einem Mittelpunkt gesellschaftlichen Lebens: Vereinstreffen, Abiturientenfeiern, Jubiläen, zahllose Konzerte und Tanzveranstaltungen und natürlich der sommerliche Ausflugsverkehr zogen Einheimische und Fremde in Scharen an - das Geschäft florierte! Zu vielen dieser Feierlichkeiten wurden sogar extra Ansichtskarten in Umlauf gebracht.
Mit dem ersten Weltkrieg kamen für Pauly allerdings die Sorgen, und für die Adolfshöhe begann der traurige Abstieg: Durch den starken Rückgang des Fremdenverkehrs, vor allem aber durch eine hohe Bürgschaft, die ein Freund in Anspruch genommen hatte, geriet Pauly in finanzielle Schwierigkeiten, die 1915 mit einer Zwangsversteigerung endeten.
Eine Ausflugsgaststätte wurde das bekannte Gebäude danach nie wieder: Als die Franzosen im November 1918 Wiesbaden besetzten, wurde das Ausflugslokal als Marokkaner-Bordell benutzt! 1920 wurde das Gebäude verkauft und zunächst als Wohn-/Geschäftshaus genutzt, bevor 1937 die französische Firma Cointreau erworben und die große Festsaal als Lagerhalle diente. In der Nachkriegszeit fristete das Anwesen ein Schattendasein, bis es schließlich von einer Baugesellschaft erworben, komplett abgerissen und an gleicher Stelle ein Wohnkomplex errichtet wurde.
Der Wiesbadener Andreasmarkt...
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Jahrhundertelang war er eine feste Größe in der Wiesbadener Stadtgeschichte: Der jährlich um den 30.November, den Namenstag des Schutzpatrons, stattfindenden Andreasmarkt in Wiesbaden.
Um 1350, so vermutet der bekannte, frühere Stadtarchivar und -historiker Christian Spielmann, könnte er entstanden sein. Fest belegt ist er ab 1547, als Graf Philipp von Nassau-Idstein die alten Privilegien der Stadt erneut bestätigte. Demnach durfte Wiesbaden wöchentlich zwei Markttage abhalten, zudem vier Jahrmärkte nach den kirchlichen Feiertagen Jubilate, Johann, Michael und Andreas. In der vorindustriellen, bäuerlichen Lebenswelt machte es Sinn, noch vor Wintereinbruch einen Jahrmarkt durchzuführen: Mägde und Knechte wurden um den Martinstag herum im November ausbezahlt und konnten sich so für den Winter mit warmer Kleidung und anderem Nützlichen eindecken. Dies erklärt, warum der Andreasmarkt jährlich zu Beginn der Adventszeit zum mehrtägigen Ereignis wurde.
Der Markt wechselte mehrfach seinen Standort in der Innenstadt, ab 1882 wurde er auf der noch wenig befahrenen Rheinstraße abgehalten. Zu diesem wichtigen Ereignis wurden natürlich auch Ansichtskarten gedruckt. Hier ist eine der wundervollen Lithographien aus der - für seine hohe Druckkunst überregional bekannten - Druckerei und Verlag Rudolf Bechtold & Co. aus dem Jahre 1897 zu sehen. Sie zeigt das Jahrmarkttreiben in der Rheinstraße, im Hintergrund die gerade neu erbaute Ringkirche. Der Jahrmarkt bestand damals und auch in jüngerer Zeit immer aus zwei Teilen: einem Amüsement- und Fahrgeschäft sowie dem Dippemarkt, auf dem „Dippe“ (mundartlich für Töpfe, Geschirr, Haushaltswaren) verkauft wurden – ein Verweis auf den Ursprung des Marktes. Der Andreasmarkt war jedes Jahr „das“ Großereignis in der kalten Vorweihnachtszeit - auch wir als Kinder in viel späterer Zeit ließen uns den „Rummel“ kein Jahr entgehen!
Aber die Zeiten änderten sich, und das dann leider auch ziemlich schnell... Schon vor der Jahrtausendwende entwickelte sich die Zahl der Schausteller und Besucher von Jahr zu Jahr rückläufig. 2010 wurde der Markt aus der Innenstadt an den Stadtrand verlagert. Der Andreasmarkt existierte dann nur noch fünf weitere Jahre, bevor er sang- und klanglos verschwand. Am Ende hatte der so traditionsreiche und beliebte Markt seine Zeit überlebt...
Einen Trost gibt es dennoch: Als „Nachfolger“ wurde kurze Zeit später im Stadtzentrum der „Sternschnuppenmarkt“ als stimmungsvoller Adventsmarkt aus der Taufe gehoben, der sehr schnell überregional bekannt wurde und sich inzwischen jedes Jahr großer Beliebtheit erfreut.